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Beim Chef der Feuerwehren – ein Interview

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Wir sind zu Besuch im Gefahrenabwehrzentrum in Limburg. Es empfängt uns ein freundliches, gut gelauntes Team. Fast alle hier engagieren sich zusätzlich ehrenamtlich für Brandschutz und Gefahrenabwehr im Landkreis Limburg-Weilburg. Frederik Stahl leitet dieses Team seit Anfang des Jahres als Kreisbrandinspektor. Er hat uns zum Interview eingeladen.

Herzlichen Glückwunsch zur Ernennung als Kreisbrandinspektor, Herr Stahl. Ganz schön viel Verantwortung, oder?

Ja, der Verantwortungsbereich ist nicht klein. Im Grunde habe ich hier zwei Aufgaben: Ich bin Fachdienstleiter für den Brand-, Zivil und Katastrophenschutz und Kreisbrandinspektor. Zusammen heißt das Personalverantwortung für an die vierzig hauptamtliche und über 100 ehrenamtliche Mitarbeitende. Zum einen stehe ich der Zentralen Leitstelle vor, die sich hier im Haus befindet. Von hier aus organisieren wir auch den Rettungsdienst für die Region sowie den Zivil- und Katastrophenschutz. Das ist mit häufigem Rufbereitschaftsdienst verbunden. Zum anderen bin ich beratend und als Aufsicht für die Feuerwehren der Kommunen zuständig.

Wie müssen wir uns die Organisation des Rettungsdienstes vorstellen?

Der Landkreis ist dafür verantwortlich, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landkreises schnelle Hilfe bekommen. Wir machen dazu die Planung: Wie viele Rettungswagen brauchen wir, wie viele Notärzte? All dies muss zuverlässig strukturiert und organisiert sein, damit danach unsere Zentrale Leitstelle nach einem Notruf die Rettungsmittel von DRK oder den Maltesern alarmieren kann. Das heißt, die Zentrale Leitstelle alarmiert die Rettungsteams des Roten Kreuzes sowie der Malteser. Die führen dann die Rettungseinsätze aus. Generell bin ich seit Beginn meiner Tätigkeit in Limburg intensiv damit beschäftigt, Strukturen mitzugestalten, die eine optimale Brand- und Katastrophenschutzarbeit ermöglichen.

Was hat sich in Ihrem Leben seit Ihrem Amtsantritt
verändert?

Ich war bisher bei der Frankfurter Berufsfeuerwehr beschäftigt. Jetzt arbeite ich neben meinen unmittelbaren Mitarbeiter:innen auch viel mit Ehrenamtlichen zusammen. Das kann man nicht hoch genug wertschätzen. Deshalb versuche ich soweit möglich, mich nach den Bedürfnissen der Ehrenamtlichen zu richten. Ich bin hier viel im Landkreis unterwegs, zum Beispiel zur Information der Öffentlichkeit. Da gibt es viele Termine auch am Abend und am Wochenende.

Welche Ausbildung braucht man, um Kreisbrandinspektor werden zu können?

Bei mir war es so, dass ich zunächst Bauingenieurwesen studiert habe. Danach habe ich in Frankfurt die Ausbildung im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst absolviert und mich als Sachverständiger im vorbeugenden Brandschutz qualifiziert. In Frankfurt war ich dann auch lange als Einsatzleiter tätig.

Wo liegen die größten Herausforderungen in Ihrem neuen Amt?

Dass hier mit ganz wenigen Ausnahmen alles auf dem Ehrenamt beruht, ist einerseits schön, andererseits auch herausfordernd. Denn dass sich in den Kommunen immer genügend Leute im Ehrenamt zur Verfügung stellen, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir unterstützen hierbei die Kommunen beratend und müssen immer ein Auge darauf haben, dass ausreichend Freiwillige verfügbar sind. Gerade was die Verfügbarkeit tagsüber angeht, ist es heute im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels schwieriger geworden, genug Leute zur Verfügung zu haben. Hinzu kommt, dass in der aktuellen weltpolitischen Lage Zivil- und Katastrophenschutz wieder eine besondere Bedeutung gewonnen hat. Das war mit Ende des kalten Krieges etwas aus dem Blick verschwunden.

Jetzt muss man Strukturen wieder aufbauen, die man vor 30 Jahren vielfach abgeschafft hat. Sei es der Bau von Sirenen oder die Ernährungsnotfall-Vorsorge. Auch Gas- und Strom-Mangellagen haben vor wenigen Jahren kaum jemanden interessiert. Heute sind das alles Top-Themen, mit denen wir uns intensiv und zusätzlich beschäftigen. Der Kreisbrandinspektor allein kann allerdings nur wenig bewirken. Deshalb sehe ich es als meine wichtigsten Aufgaben an, die Unterstützung der ehrenamtlichen Strukturen zu gewährleisten, gute Rahmenbedingungen für das System zu schaffen und die Kommunikation zwischen den Teams reibungslos zu halten.

Was war denn der wichtigste Einsatz, seit Sie die Feuerwehren im Landkreis leiten?

Ich denke, da ist vielen Einwohner:innen noch unser Großeinsatz in Niederzeuzheim im Kopf. Hier war es in einem gasabfüllenden Industriebetrieb zu einem gefährlichen Propangasleck gekommen. Der Gasaustritt konnte zunächst nicht gestoppt werden. Eine wirklich bedrohliche Lage. Hier waren wir über sechs Tage mit Einsatzkräften aus neun Landkreisen im Einsatz. Aber ich kann sagen, dass in dieser außergewöhnlichen Situation das Team ganz hervorragend funktioniert hat.

Auf welchem technischen Stand sind die Feuerwehren im
Landkreis aus Ihrer Sicht?

Da ist grundsätzlich erstmal alles auf einem guten Stand. Allerdings muss man sagen, dass es für die Kommunen immer schwieriger wird, diesen Stand beizubehalten. Das liegt vor allem an den stark gestiegenen Kosten für die technische und bauliche Ausstattung. Die Kommunen werden hier immer stärker finanziell gefordert. Die Kosten sind einfach immens geworden.

Und wie steht es um die Einsatzbereitschaft und den
Ausbildungsstand der regionalen Feuerwehren?

Auch da ist hier grundsätzlich alles in Ordnung. Allerdings wird es vor allem tagsüber in manchen Bereichen schwieriger, ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung zu haben. Dort stehen uns berufliche Verpflichtungen manchmal etwas im Weg – zum Beispiel die Tatsache, dass viele unserer Freiwilligen zum Arbeiten ins Rhein-Main-Gebiet pendeln. Was die Ausbildung angeht: Wir tun viel dafür, dass der Ausbildungsstand bei den Feuerwehren hoch ist. Gerade haben wir das Angebot an Ausbildungslehrgängen nochmals erweitert. Dazu beobachten und analysieren wir kontinuierlich die Entwicklung in den einzelnen Kommunen. Die zentrale Ausbildung der Feuerwehreinsatzkräfte in unserem Landkreis wird von uns hier aus dem Gefahrenabwehrzentrum heraus organisiert. Die Kreisfeuerwehrschule koordiniert die Durchführung der entsprechenden Lehrgänge, die Ausbilder sind ehrenamtlich tätig.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Feuerwehren in den Kommunen? Sind Sie dort in ständigem Austausch?

Ja, tatsächlich ist mir die Kommunikation mit den Feuerwehren vor Ort extrem wichtig. Ich finde es entscheidend, immer wieder die bestmöglichen Abläufe und Strukturen im regionalen Brand- und Katastrophenschutz transparent zu machen. Deshalb bin ich regelmäßig im Austausch mit den Leitern der Feuerwehren, mit den Stadt- und Gemeinde-Brandinspektoren und auch mit den Bürgermeister:innen. Zu aktuellen Themen finden Treffen statt, es wird aber auch ganz viel telefoniert, um alle auf gleichem Stand zu halten oder situativ Probleme zu lösen.

Was kann ich denn als Limburger:in tun, um mich sinnvoll am Brand- und Katastrophenschutz zu beteiligen?

Insbesondere wenn es um Katastrophenschutz geht, müssen sich die Bürger:innen im Klaren darüber sein, dass sie auch selbst vorsorgen müssen. Der Staat kann im Katastrophenfall nicht alles abdecken und nur sehr begrenzt Hilfe leisten. Dazu gibt es zum Beispiel über den Bund Informationsmaterial zu dem, was jeder selbst bevorraten sollte. Diesbezüglich gibt es derzeit ein verstärktes Bewusstsein aufgrund der verschiedenen Krisen. Hier sollte sich jeder aktiv informieren. Ein weiterer sinnvoller Beitrag besteht meiner Ansicht nach einfach darin, dass man zu schätzen weiß, dass sich hier vor allem Ehrenamtliche einsetzen. Und jede und jeder hat selbst die Möglichkeit, sich bei den Feuerwehren und Hilfsorganisationen zu engagieren. Ich kann dazu nur immer wieder einladen.

Wie ist es um den Nachwuchs bei den Feuerwehren bestellt?

Wir haben viele junge Menschen, die sich in den Kinder- und Jugendfeuerwehren engagieren. Es ist erfreulich, dass es immer wieder Neugründungen gibt, so können die Kinder schon ab sechs Jahren bei der Feuerwehr mitmachen. Da die freiwilligen Feuerwehren in den Kommunen tief verwurzelt sind, funktioniert diese traditionelle Frühförderung nach wie vor sehr gut. Allerdings ist, wenn es später zum Übergang ins Erwachsenwerden geht, die Konkurrenz größer und je nach Lebensplanung fallen dann einige leider weg. Aber die Jugendarbeit wird bei den Feuerwehren großgeschrieben – auch mit dem Ziel, dass man dadurch den Nachwuchs von morgen gewinnt.

Und noch eine Frage in eigener Sache: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit der EVL, falls diese in Notsituationen erforderlich wird?

Die EVL kommt durchaus immer wieder zum Tragen, wenn es bei Einsätzen in ihrem Versorgungsbereich um Strom-, Wasser-, oder Gasabschaltungen geht. Die Feuerwehren berichten mir, dass da die Zusammenarbeit immer sehr gut funktioniere.

Zum Abschluss eine Frage, die wir gerne stellen: Was hält Sie ganz persönlich unter Spannung?

Darauf habe ich eine sehr einfache Antwort: Am meisten beschäftigt mich, dass sämtliche Kolleg:innen bei gefährlichen Einsätzen gesund und wohlbehalten zurückkehren. Sie alle gehen oft ein hohes persönliches Risiko ein, um Menschen zu retten oder großen Schaden abzuwenden. Ich möchte alles dafür tun, dass Feuerwehrleute und Rettungskräfte dies in allen Situationen gut überstehen.